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Kategorie: Klage

Gerichtliche Klagemöglichkeiten vor den Zivilgerichten

In Deutschland gibt es im Zivilprozessrecht verschiedene Klagemöglichkeiten, um Rechte durchzusetzen oder Rechtsverhältnisse zu klären. Die Wahl der richtigen Klageart hängt davon ab, welches Ziel der Kläger verfolgt. Die wichtigsten Klagearten vor den Zivilgerichten lassen sich in Leistungsklagen, Feststellungsklagen und Gestaltungsklagen einteilen.


I. Leistungsklagen

Die Leistungsklage zielt darauf ab, dass das Gericht die Gegenpartei zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlassung verurteilt.

1. Zahlungsklage

  • Ziel: Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs.
  • Beispiel: Ein Unternehmer klagt auf Zahlung einer offenen Rechnung aus einem Kaufvertrag (§ 433 BGB).
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 25.01.2022 – VI ZR 50/21: Stellt klar, dass der Kläger eine schlüssige Darlegung der Forderungslage erbringen muss.

2. Herausgabeklage

  • Ziel: Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe einer Sache.
  • Beispiel: Der Käufer klagt auf Lieferung eines bestellten Fahrzeugs (§ 433 Abs. 1 BGB).
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 07.02.2019 – IX ZR 47/18: Bestätigt, dass eine Herausgabeklage auch dann zulässig ist, wenn sich die Sache noch im Besitz eines Dritten befindet.

3. Unterlassungsklage

  • Ziel: Durchsetzung einer Unterlassungspflicht.
  • Beispiel: Ein Unternehmen klagt gegen einen Konkurrenten auf Unterlassung wettbewerbswidriger Werbung (§ 8 UWG).
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 20.02.2020 – I ZR 176/18 („Ortlieb“): Ein Amazon-Händler wurde zur Unterlassung irreführender Werbung verpflichtet.

4. Beseitigungsklage

  • Ziel: Verpflichtung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands.
  • Beispiel: Ein Grundstückseigentümer verlangt die Entfernung einer unbefugt errichteten Mauer durch den Nachbarn (§ 1004 BGB).
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 02.03.2018 – V ZR 276/16: Bestätigt, dass der Anspruch auf Beseitigung bei fortdauernder Beeinträchtigung fortbesteht.

II. Feststellungsklagen

Die Feststellungsklage dient der Klärung, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis besteht oder nicht.

1. Positive Feststellungsklage

  • Ziel: Feststellung, dass ein Rechtsverhältnis besteht.
  • Beispiel: Ein Arbeitnehmer klagt auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde (§ 256 ZPO).
  • Rechtsprechung:
    • BAG, Urteil vom 23.01.2019 – 7 AZR 733/16: Bestätigt, dass eine Feststellungsklage zulässig ist, wenn die Rechtsunsicherheit über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses fortbesteht.

2. Negative Feststellungsklage

  • Ziel: Feststellung, dass ein bestimmtes Rechtsverhältnis nicht besteht.
  • Beispiel: Ein Schuldner klagt auf Feststellung, dass eine behauptete Forderung nicht besteht.
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 27.06.2017 – XI ZR 333/16: Bestätigt die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage zur Abwehr unberechtigter Forderungen.

3. Zwischenfeststellungsklage

  • Ziel: Feststellung einer entscheidungserheblichen Vorfrage in einem laufenden Verfahren (§ 256 Abs. 2 ZPO).
  • Beispiel: In einem Kaufpreisklageverfahren wird zusätzlich geklärt, ob der Kaufvertrag wirksam ist.

III. Gestaltungsklagen

Die Gestaltungsklage bewirkt, dass durch das Urteil unmittelbar eine Rechtsänderung eintritt.

1. Anfechtungsklage

  • Ziel: Aufhebung eines Verwaltungsakts oder einer Willenserklärung.
  • Beispiel: Ein Gesellschafter einer GmbH klagt auf Anfechtung eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung (§ 246 AktG, § 75 GmbHG).
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 08.12.2020 – II ZR 23/20: Legt dar, dass eine Beschlussanfechtung nur binnen der Anfechtungsfrist zulässig ist.

2. Scheidungsklage

  • Ziel: Auflösung einer Ehe (§ 1564 BGB).
  • Beispiel: Ein Ehepartner klagt auf Scheidung nach dreijähriger Trennung.

3. Insolvenzanfechtungsklage

  • Ziel: Rückforderung von Vermögensverschiebungen vor Insolvenzeröffnung (§ 129 ff. InsO).
  • Beispiel: Ein Insolvenzverwalter klagt auf Rückzahlung von Beträgen, die kurz vor Insolvenzanmeldung an Gläubiger gezahlt wurden.

IV. Besondere Klagen im Zivilprozess

1. Stufenklage (§ 254 ZPO)

  • Ziel: Mehrstufiges Verfahren zur Durchsetzung eines Anspruchs.
  • Beispiel: Ein Ehepartner klagt auf Auskunft über das Vermögen des anderen und anschließend auf Zahlung des Zugewinnausgleichs.
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 28.05.2014 – XII ZR 134/12: Bestätigt, dass die Stufenklage zulässig ist, wenn die Auskunft untrennbar mit der Zahlung verbunden ist.

2. Musterfeststellungsklage (§ 606 ZPO)

  • Ziel: Klärung von Rechtsfragen zugunsten einer Vielzahl von Verbrauchern.
  • Beispiel: VW-Dieselskandal: Verbraucher klagen kollektiv gegen Volkswagen.
  • Rechtsprechung:
    • BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19: Entscheidet, dass geschädigte Diesel-Käufer grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz haben.

3. Leistungsklage mit Zwangsvollstreckungstitel

  • Ziel: Direkte Zwangsvollstreckung bei Unterlassungs- oder Herausgabepflichten.
  • Beispiel: Ein Vermieter klagt auf Räumung einer Wohnung (§ 546 BGB) und kann nach dem Urteil die Zwangsräumung betreiben.

Klagearten

Die Wahl der richtigen Klageart ist entscheidend für die erfolgreiche Durchsetzung von Rechten vor Zivilgerichten. Während Leistungsklagen eine konkrete Handlung erzwingen, dienen Feststellungsklagen der Klärung von Rechtsverhältnissen und Gestaltungsklagen der direkten Änderung der Rechtslage. Präzedenzfälle aus der Rechtsprechung zeigen, dass die praktische Anwendung dieser Klagen von Fristen, Beweislast und Prozessstrategie abhängt.

Entscheidung des Landgerichts Hamburg im Fall Erdoğan gegen Böhmermann bestätigt durch das OLG Hamburg 7 U 34/17

Entscheidung des Landgerichts Hamburg im Fall Erdoğan gegen Böhmermann bestätigt durch das OLG Hamburg 7 U 34/17

Im Verfahren über die Unterlassungsklage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen den TV-Moderator Jan Böhmermann hat das Hanseatische Oberlandesgericht heute das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Februar 2017 bestätigt. Danach bleibt es Böhmermann untersagt, sich über den Kläger wie in Teilen des Satire-Gedichts „Schmähkritik“ aus der Sendung „Neo Magazin Royale“ vom 31. März 2016 geschehen zu äußern. Die fraglichen Passagen beinhalten schwere Herabsetzungen mit Bezügen zum Intimen und Sexuellen, für die es in der Person oder dem Verhalten des Klägers keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte gibt. Anders als die übrigen Verse, die tatsächliches Verhalten Erdoğans in satirischer Weise kritisieren und daher hinzunehmen sind, dienen die untersagten Äußerungen allein dem Angriff auf die personale Würde und sind deshalb rechtswidrig. Mit dieser Entscheidung hat der 7. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts sowohl die Berufung Böhmermanns gegen das landgerichtliche Urteil (siehe dazu die Pressemitteilung vom 10. Februar 2017) als auch das Rechtsmittel Erdoğans zurückgewiesen, der das Ziel verfolgt, Böhmermann sämtliche in dem Gedicht enthaltenen Äußerungen in Bezug auf seine Person untersagen zu lassen.

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